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Styler Ornament

Der Islam aus kulturalistischer Sicht

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III: DER ISLAM

„Lies, im Namen dei­nes Herrn, der erschuf,
Erschuf den Men­schen aus einem Klum­pen Blut.
Lies!Denn dein Herr ist der Allgütige,
Der den Men­schen lehr­te durch die Feder,
Den Men­schen lehr­te, was er nicht wusste. […]
Wirf dich nie­der und nähe­re dich Gott.“
(Moham­med, Sure 96, die als sei­ne ers­te Offen­ba­rung gilt.)

Der Islam ist dem Chris­ten­tum in sei­nem Ursprung unge­mein nahe. Daß Moham­med in sei­nen Reden stets auf die Bibel ver­weist und deren pro­fun­de Kennt­nis bei den Zuhö­rern schein­bar vor­aus­setzt, lässt gar ver­mu­ten, daß der Ur-Islam anfangs nur eine christ­li­che oder jüdi­sche Split­ter­grup­pe darstellte. 

Es ist Gibril, der christ­li­che Erz­engel Gabri­el, der Moham­med im Jahr 610 wäh­rend sei­ner jähr­li­chen Medi­ta­ti­on auf dem Berg Hira erscheint und ihm die Ver­kün­dung einer neu­en Leh­re auf­trägt, ja, gera­de­zu auf­zwingt. Der Islam ver­steht sich von vorn­her­ein als Erbe von Juden­tum und Chris­ten­tum, als eben­falls mono­the­is­ti­sche Offen­ba­rungs­re­li­gi­on, die Moses und Jesus durch­aus als Pro­phe­ten aner­kennt, aller­dings, wie Gibril als Send­bo­te Got­tes Moham­med mit­teilt: die Anhän­ger die­ser Leh­ren sind vom rech­ten Pfad abge­kom­men. Juden­tum und Chris­ten­tum haben die wah­re Leh­re ver­fälscht, sie leben in Gott­lo­sig­keit und Sün­de, sie streu­en Cha­os und Unfrie­den und ver­är­gern Gott damit. Moham­med wird geschickt, um sie zur Ein­sicht zu brin­gen, und den fina­len Bund zwi­schen Gott und den Men­schen zu stiften. 

Eben­so wie das Chris­ten­tum tritt der sich aus­brei­ten­de Islam mit der Kul­tur der Spät­an­ti­ke in Kon­takt. Wie ein Schwamm sau­gen die isla­mi­schen Erobe­rer das Wis­sen der uralten Hoch­kul­tu­ren der Per­ser, der Hel­le­nen, des Zwei­strom­lan­des und der Ägyp­ter auf und durch die Eta­blie­rung des Ara­bi­schen als isla­mi­scher “Lin­gua Fran­ca” ent­steht ein gigan­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­raum, der von Spa­ni­en bis nach Indi­en reicht. Für eini­ge Jahr­hun­der­te nun besteht, was der west­li­che His­to­ri­ker die “Blü­te­zeit des Islam” nennt: ein ratio­nal gepräg­tes, früh­wis­sen­schaft­li­ches Gelehr­ten­tum anti­ker Prä­gung, das vor allem in Mathe­ma­tik, Che­mie und Medi­zin Bedeu­ten­des leis­tet und der noch jun­gen, euro­päi­schen Kul­tur wert­vol­le Impul­se lie­fert, nicht zuletzt in der Ver­mitt­lung anti­ker Quel­len, die in Euro­pa wäh­rend der Völ­ker­wan­de­rung ver­lo­ren­gin­gen. Doch auch hier muss in der Aus­ein­an­der­set­zung mit anti­ker Phi­lo­so­phie ein Kon­flikt zwi­schen Glau­bens­er­kennt­nis und Ver­nunft­er­kennt­nis aus­ge­tra­gen wer­den. Im Gegen­satz zu Euro­pa aber, wo die Ver­nunft in jahr­hun­der­te­lan­gem Rin­gen die Reli­gi­on lang­sam zurück­drängt, ent­schei­det der Islam sich anders. Dies wird gemein­hin mit dem Wir­ken des isla­mi­schen Phi­lo­so­phen Al-Ghaz­z­ali (1058 — 1111) in Ver­bin­dung gebracht. Selbst durch­aus ein Meis­ter in der Kunst des antik gepräg­ten Phi­lo­so­phie­rens, kommt er doch letzt­lich zu dem Schluß, daß das Kon­zept der ratio­na­len Ver­nunft zur Erkennt­nis­ge­win­nung als „unis­la­misch“ abzu­leh­nen sei. Sei­nes Erach­tens sind Prin­zi­pi­en wie Kau­sa­li­tät oder Logik ledig­lich mensch­li­che Prin­zi­pi­en – und mit die­sen mensch­li­chen Hilfs­mit­teln kann die im Koran nie­der­gelg­te gött­li­che Wahr­heit nicht zugäng­lich gemacht werden.

Wäh­rend also die christ­li­che Theo­lo­gie mit­tels der Idee des „Logos“ imstan­de ist, gött­li­che mit mensch­li­cher Ver­nunft zu syn­chro­ni­sie­ren und dadurch die Ver­stan­des­tä­tig­keit als Teil­ha­be am Gött­li­chen zu betrach­ten, ver­bannt die isla­mi­sche Theo­lo­gie Gott in ein der mensch­li­chen Erkennt­nis nicht zugäng­li­ches Jen­seits. Nicht das Den­ken, son­dern nur die Erkennt­nis der Her­zens kann dem Men­schen den leben­di­gen Gott offen­ba­ren und damit zu einem sinn­vol­len, har­mo­ni­schen Leben ver­hel­fen. Gewis­ser­ma­ßen als isla­mi­schen „Gegen-Logos“ ersinnt Al-Ghaz­z­ali den Begriff des „fein­stoff­li­chen Her­zens“, das in der Welt der Engel behei­ma­tet ist und dem Men­schen nur durch Glau­ben und Hin­ga­be wie­der den Weg zurück ins Para­dies wei­sen kann. Ver­stan­des­tä­tig­keit dage­gen erscheint als Anma­ßung, sünd­haf­te Ver­ir­rung, als eit­le Zeitverschwendung.

Nicht allei­ne Al-Ghaz­z­ali ist letzt­lich für die­se Ent­wick­lung ver­ant­wort­lich, doch am Ende scheint die­se Hal­tung sich in der isla­mi­schen Kul­tur als rich­tig durch­ge­setzt zu haben. Und damit ende­te das Inter­es­se des Islams an wis­sen­schaft­li­cher For­schung und phi­lo­so­phi­scher Spe­ku­la­ti­on im Wesent­li­chen. Die Ein­fäl­le der Mon­go­len, die Sezes­si­on der Per­ser, die Erobe­rung Kon­stan­ti­no­pels und die Über­nah­me der Macht durch die ehe­ma­li­ge Krie­ger­kas­te der Osma­nen – all die als „Geschich­te“ fest­ge­hal­te­nen Ereig­nis­se der nächs­ten Jahr­hun­der­te ver­än­dern die isla­mi­sche Kul­tur durch­aus, wie sich auch inner­halb des Islams diver­se Split­ter­grup­pen bil­den, doch eine „Moder­ni­sie­rung“ im euro­päi­schen Sinn, eine Hin­ter­fra­gung reli­giö­ser Dog­men durch Ratio­na­li­tät also, fin­det nicht statt.

IV: KOLONISATORISCHES INTERREGNUM

„Es mag vie­le Län­der geben, aber aber es gibt nur eine Zivi­li­sa­ti­on, und wenn eine Nati­on Fort­schritt erzie­len will, muss sie ein Teil die­ser Zivi­li­sa­ti­on sein. Das Osma­ni­sche Reich begann an dem Tag unter­zu­ge­hen, als es, stolz auf sei­nen Erfolg gegen den Wes­ten, die Ver­bin­dung trenn­te, die es mit den euro­päi­schen Natio­nen ver­band.“ Kemal Atta­türk, 1923

Erst im 19. Jahr­hun­dert wird die isla­mi­sche Welt aufs Neue mit ratio­na­lis­ti­schem Den­ken kon­fron­tiert. Dies­mal ver­mit­tels aus­schwär­men­der Euro­pä­er, die, eine beängs­ti­gen­de mili­tä­ri­sche Über­le­gen­heit offen­ba­rend, gro­ße Tei­le des Glo­bus erobern. In der Betrach­tung der Ereig­nis­se aller­dings klaf­fen isla­mi­sche und euro­päi­sche Erzäh­lun­gen aus­ein­an­der. Für den Euro­pä­er voll­zieht sich mit der Kolo­nia­li­sa­ti­on der „Fort­schritt“, und „die Moder­ne“ als Aus­druck von „Ver­nunft“ ver­brei­ten sich als ihm ganz natür­lich schei­nen­der Vor­gang über den gan­zen Pla­ne­ten. In sei­ner Selbst­wahr­neh­mung erobert und unter­drückt der Euro­pä­er die besetz­ten Län­der nicht (nur), er befreit sie auch aus ihrer „Rück­stän­dig­keit“ — ein Begriff, womit die Distanz zur west­li­chen Kul­tur aus­ge­drückt wird. Die isla­mi­sche Welt dage­gen wird durch die Beset­zung und die Erfah­rung der Unter­le­gen­heit in ihrem Selbst­ver­ständ­nis fun­da­men­tal erschüt­tert und gerät dar­über in eine tie­fe Identitätskrise.

Die­se Iden­ti­täts­kri­se wird bis heu­te vom Wes­ten kaum reflek­tiert. Wäh­rend der klas­si­sche, chau­vi­nis­ti­sche Kolo­nia­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts den Nicht-Euro­pä­er gewis­ser­ma­ßen als unmün­di­ges Kind betrach­tet, dem mit Stren­ge zivi­li­sier­tes Ver­hal­ten bei­gebracht wer­den müs­se, eig­ne­te sich die links-eman­zi­pa­to­risch gepräg­te Gegen­wart ersatz­wei­se einen eigen­ar­ti­gen Neo-Manich­äis­mus zur Deu­tung inner­is­la­mi­scher Kon­flik­te an: in die­sem kämp­fen außer­halb Euro­pas nun die aus dem Wes­ten stam­men­den Wer­te von Auf­klä­rung, Demo­kra­tie und Libe­ra­lis­mus gegen die eben­falls aus dem Wes­ten stam­men­den Nega­tiv-Ein­flüs­se von Kolo­nia­lis­mus und Kapi­ta­lis­mus, die im Sin­ne zeit­ge­nös­si­scher lin­ker Theo­rie­bil­dung für Armut, Gewalt und illi­be­ra­le Welt­an­schau­un­gen ver­ant­wort­lich gemacht wer­den. Es ist, kurz gesagt, rei­ne Pro­jek­ti­on west­li­cher Diskurse.

Dabei über­sieht der Wes­ten, daß der isla­mi­sche Kul­tur­raum sei­ne eige­ne tra­dier­te Dis­kurs­sphä­re besitzt. Dar­über­hin­aus gar gegen­über dem Chris­ten­tum der Inva­so­ren einen vom eige­nen Pro­phe­ten ver­bürg­ten Über­le­gen­heits­an­spruch auf­weist. Er stellt kein lee­res oder sich als defi­zi­tär emp­fin­den­des Gefäß dar, in das der wohl­wol­len­de Euro­pä­er nun gedul­dig den Humus west­li­cher Gesell­schafts­idea­le rie­seln las­sen kann, bis end­lich, wenn flei­ßig gegos­sen wird, dar­aus ein west­li­ches Pflänz­chen sproßt. Er lebt in sei­ner eige­nen Zeit, sei­ner eige­nen Form des Den­kens und Han­delns. Dar­aus wird er mit Gewalt her­aus­ge­ris­sen, und ist nun gezwun­gen, aus sich selbst her­aus einen Umgang mit der neu­en Situa­ti­on zu finden.

Ange­sichts ihrer empi­risch nicht zu leug­nen­den Über­le­gen­heit begin­nen soge­nann­te “Moder­ni­sie­rer” wie Al-Afgha­ni (1838 — 1897) im 19. Jahr­hun­dert, sich mit west­li­chen Ideen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Sie gel­ten heu­te para­do­xer­wei­se sowohl als Urvä­ter des isla­mi­schen Säku­la­ris­mus wie auch des poli­ti­schen Islams, was wie­der­um die Eigen­heit des isla­mi­schen Den­kens deut­lich macht. Denn sie pos­tu­lie­ren zwar die prin­zi­pi­el­le Ver­ein­bar­keit von Islam und west­li­chen Ideen — in einer eigen­wil­li­gen Denk­be­we­gung behaup­ten sie aller­dings, daß die­se Ver­ein­bar­keit nur her­ge­stellt wer­den kön­ne, sofern man zu den rei­nen Quel­len des ursprüng­li­chen Islams zurück­keh­re, statt den spä­te­ren Ver­ir­run­gen der ver­schie­de­nen Rechts­schu­len zu fol­gen. Dem zugrun­de liegt also kein skep­ti­zis­ti­scher Empi­ris­mus, wie er der west­li­chen Moder­ne zuei­gen ist, son­dern eine tie­for­tho­do­xe Theo­lo­gie, die im Koran wei­ter­hin die objek­ti­ve Wahr­heit der Schöp­fung aus­ge­spro­chen sieht, wodurch logisch not­wen­di­ger­wei­se der sinn­vol­le Anteil an den Kon­zep­ten des Wes­tens dar­in bereits als Poten­ti­al ent­hal­ten sein muss.

In der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts ist im Kreis der poli­ti­schen Eli­ten die west­lich ori­en­tier­te, säku­la­ri­sie­ren­de Ten­denz die­ses Ansat­zes vor­herr­schend. Das bedeu­tet, daß im Kon­flikt zwi­schen Moder­ne und Reli­gi­on es die Reli­gi­on ist, die sich fle­xi­bel zei­gen muss, um durch groß­zü­gi­ge Inter­pre­ta­ti­on den Text des Korans mit west­li­chen Ansät­zen kom­pak­ti­bel zu machen. Poli­ti­sche Anfüh­rer wie Kemal Atta­türk im Über­rest des 1922 von den Euro­pä­ern zer­schla­ge­nen Osma­ni­schen Reichs oder Gam­al Abdel Nas­ser im 1936 aus der kolo­nia­len Beset­zung ent­las­se­nen Ägyp­ten set­zen ihre Gesell­schaf­ten radi­ka­len Refor­men aus, um durch Adap­ti­on west­li­cher Ideen macht­po­li­tisch auf­zu­schlie­ßen. Sie wer­den im Wes­ten als “Staats­grün­der” rezi­piert, da Kon­zep­te wie (National-)Staaten oder Ver­fas­sun­gen bis dahin in der isla­mi­schen Kul­tur nicht bekannt waren, tat­säch­lich aber prä­gen sie ihren bestehen­den Gesell­schaf­ten ledig­lich auf durch­aus auto­ri­tä­re Wei­se west­li­che For­men auf. Die Tür­kei fir­miert fort­an in ihrer druck­fri­schen Ver­fas­sung als „demo­kra­ti­scher, sozia­ler und lai­zis­ti­scher Rechts­staat“, Ägyp­ten als „sozia­lis­ti­scher, demo­kra­ti­scher Staat“.

Pro­blem hier ist nun aller­dings, daß die­se Begrif­fe ledig­lich impor­tiert und den dor­ti­gen Gesell­schaf­ten auf­ge­propft wer­den, ohne daß ein maß­geb­li­cher gesell­schaft­li­cher Unter­bau bestün­de. Auch im Kon­text eines west­li­chen Fort­schritts­mo­dells fußt jede kul­tu­rel­le Neue­rung auf vor­gän­gig geschaf­fe­nen, gesell­schaft­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, die als Pro­ble­me nach Lösun­gen ver­lan­gen. Der Erfolg des Sozia­lis­mus im Euro­pa des 19. Jahr­hun­derts ist in die­sem Sin­ne nur als Fol­ge einer spe­zi­fi­schen Kon­stel­la­ti­on über­haupt denk­bar: eine ratio­na­lis­ti­sche Denk­art, die über die Natur­wis­sen­schaft schließ­lich zur Indus­tria­li­sie­rung führt. Ein Bür­ger­tum, das über ein spe­ku­la­ti­ves Finanz­we­sen den Kapi­ta­lis­mus erzeugt, und in Kom­bi­na­ti­on mit der Indus­tria­li­sie­rung in den Städ­ten ein rie­si­ges Heer von weit­ge­hend recht- und hoff­nungs­lo­sen Arbei­tern ent­ste­hen lässt. Dar­über­hin­aus Mate­ria­lis­mus und Indi­vi­dua­lis­mus als phi­lo­so­phi­sche Hal­tun­gen, die so etwas wie per­sön­li­che Frei­heit und Wohl­stand über­haupt erst als zen­tra­le Mensch­heits­zie­le erachten.

Ganz anders indes die Situa­ti­on im Islam. Es exis­tiert dort kein Kapi­ta­lis­mus, allei­ne schon des­halb, weil all­ge­mei­nes Zins­ver­bot (auch für Chris­ten und Juden) herrscht. (Die ers­te isla­mi­sche Bank wur­de erst 1963 (!) gegrün­det. Aller­dings als zins­lo­se Vari­an­te – allei­ne das dar­aus ent­stan­de­ne Ban­ken­sys­tem der isla­mi­schen Gegen­wart, das sich voll­kom­men anders orga­ni­siert als das west­li­che, wäre eine eige­ne Unter­su­chung wert, so fun­da­men­tal ist der Unter­schied.) Noch grund­le­gen­der betrach­tet: um über­haupt eine „gesell­schaft­li­che Unge­rech­tig­keit“ wahr­neh­men zu kön­nen, müs­sen mora­li­sche Axio­me das Recht auf all­ge­mei­ne Wohl­stands­gleich­heit erst ein­mal pos­tu­lie­ren. Gera­de das aller­dings ist im isla­mi­schen Den­ken nicht der Fall, da es zu den Grund­über­zeu­gun­gen der sehr deter­mi­nis­tisch ange­leg­ten isla­mi­schen Theo­lo­gie gehört, daß Ver­mö­gen und welt­li­cher Rang allei­ne von Allah nach des­sen Wil­len zuge­wie­sen wer­den, und der Mensch gar nicht imstan­de ist, die Sinn­haf­tig­keit von Allahs Ent­schei­dun­gen zu begrei­fen denn zu kritisieren.

Auch ein Bür­ger­tum, eine Natur­wis­sen­schaft, eine Intel­lek­tu­el­len­schicht, die eine Hin­ter­fra­gung reli­giö­ser Dog­men betrei­ben wür­de, all die Vor­aus­set­zun­gen der euro­päi­schen Moder­ne sind im isla­mi­schen Raum nicht gege­ben. Dadurch wird die Kon­stel­la­ti­on, die im Wes­ten die Erzäh­lung, den hero­isch ver­klär­ten Mythos des „Fort­schritts“ bil­det, hier iro­ni­scher­wei­se auf den Kopf gestellt. Es steht nicht eine reak­tio­nä­re Herr­schafts­schicht gegen eine ratio­nal argu­men­tie­ren­de Oppo­si­ti­on, statt­des­sen drän­gen west­li­che Erobe­rer zusam­men mit einer von deren Ideen beseel­ten auto­ri­tä­ren Herr­schafts­eli­te einer tief reli­giö­sen Gesell­schaft eine angeb­li­che „Befrei­ung“ auf, von der die Bevöl­ke­rung eigent­lich gar nichts wis­sen will. Und wäh­rend also Atta­türk tra­di­tio­nel­le, osma­ni­sche Kopf­be­de­ckun­gen ver­bie­tet, die Uni­ver­si­tä­ten für Frau­en öff­net und for­dert, den Koran im Ein­klang mit den Natur­wis­sen­schaf­ten aus­zu­le­gen, erwächst der isla­mi­schen Kul­tur die ers­te oppo­si­tio­nel­le Mas­sen­be­we­gung ihrer Geschichte.

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Posted on 17. März 202017. März 2020

1 thought on “Der Islam aus kulturalistischer Sicht”

  1. Rainer sagt:
    9. Februar 2021 um 13:52 Uhr

    Respekt! Und vie­len Dank.

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